Brauchen Sportler zusätzliches Eiweiß?

Auf den ersten Blick gibt es einige Gründe, die für eine Eiweiß-Supplementierung (Anreicherung) bei der Ernährung von Sportlern, insbesondere von Leistungs- und Hochleistungssportlern, sprechen:
  • Vor allem Kraftsportler möchten vermehrt Muskulatur aufbauen. Muskelgewebe besteht zu 20 Prozent aus Protein (= Eiweiß).
  • Muskelgewebe unterliegt darüber hinaus einem ständigen Auf- und Abbau. Die notwendigen Bausteine für das Muskeleiweiß, die Aminosäuren, müssen mit dem Nahrungseiweiß zugeführt werden. (Eiweiße sind aus Aminosäuren aufgebaut.)
  • Bei intensivem Ausdauersport, insbesondere bei Läufern, werden vermehrt Muskelfasern verletzt. Für deren rasche Regeneration ist ausreichend Eiweiß notwendig.
  • Zudem schöpft der Körper bei lang andauernden Belastungen (mehr als 90 Minuten) einen Teil der Energie aus bestimmten Aminosäuren, umso mehr, je weniger Kohlenhydrate zur Verfügung stehen.

Trotzdem lautet die Antwort auf die Eingangsfrage für die allermeisten Menschen ganz klar „Nein“.


Einige Zahlen und Fakten zum Hintergrund

Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen, täglich 0,8 g Eiweiß je Kilogramm Körpergewicht (kg KG) zu verzehren. Je nach Körpergewicht sind das etwa 45 bis 60 Gramm Eiweiß am Tag.

Diese Menge Eiweiß im Laufe eines Tages aufzunehmen, ist bei normalen Verzehrsgewohnheiten kein Problem. Die tatsächliche Aufnahme ist i.d.R. höher als die Empfehlung. Das zeigt folgendes Beispiel eines Tagesplans:

  • Müsli aus 40 g Haferflocken, 200 g Jogurt, 200 g Obst
= ca. 13,5 g Eiweiß
  • 2 Scheiben Weizenmischbrot (100 g) mit 50 g Gouda, 40 % Fett i.Tr. und Tomatenscheiben belegt
= ca. 20,0 g Eiweiß
  • 2 Scheiben Weizenvollkornbrot (100 g) mit 30 g Schinken und Essiggurken belegt
= ca. 16,0 g Eiweiß
  • 4 Kartoffeln (250 g), eine kleine Frikadelle (120 g) und eine Portion Bohnengemüse (200 g)
= ca. 28,0 g Eiweiß
Summe
= 77,5 g Eiweiß

Dies bestätigen auch die Daten aus der nationalen Verzehrsstudie II: Männliche Personen nehmen durchschnittlich 84 Gramm und weibliche Personen 64 Gramm Protein pro Tag mit Lebensmitteln auf. Die durchschnittliche Eiweißzufuhr liegt in Deutschland zwischen 13 und 15 Prozent der Gesamtkalorienzufuhr.
Auch bei erhöhten körperlichen Anforderungen besteht nach Einschätzung von Experten i. d. R. kein Engpass hinsichtlich der Eiweißversorgung.

Der Eiweißbedarf steigt nicht überproportional mit dem Energiebedarf. Leistungssportler essen meist mehr als Nicht-Sportler oder Breitensportler und nehmen deshalb bei vollwertiger Ernährung genügend Eiweiß mit der Nahrung auf.
Untersuchungen bei Ausdauersportlern mit einem Energieverbrauch von 4300 kcal / Tag (zum Vergleich: der Energieverbrauch bei Breitensportlern liegt etwa zwischen 2000 und 3000 kcal) haben gezeigt, dass kein Körpereiweiß abgebaut wird, wenn die Sportler 1,4 g Eiweiß je kg KG mit der Nahrung aufgenommen haben. Das sind etwa 10 Prozent der Energiezufuhr – prozentual gesehen weniger als im Durchschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung an Eiweiß verzehrt wird.

Im Vergleich zu Ausdauerathleten haben Kraftsportler einen geringeren zusätzlichen Eiweißbedarf. Das trifft vor allem auf gut trainierte Kraftsportler zu. Folgende Überlegung unterstützt dies eindrucksvoll: In der Phase des Muskelaufbaus können maximal fünf kg fettfreie Körpermasse in einem Jahr aufgebaut werden, das entspricht einem Kilogramm Eiweiß, das zusätzlich benötigt wird. Ein 80 kg schwerer Athlet muss hierfür knapp drei Gramm oder umgerechnet 0,04 g je kg KG Eiweiß pro Tag mehr essen!

Ein Anhaltspunkt für die tägliche Proteinzufuhr bei Leistungssportlern sind folgende Werte:
  • Ausdauersportler: 1,6 g / kg KG / Tag
  • Kraftsportler (Aufbau): 1,4 g / kg KG / Tag
  • Kraftsportler (Erhaltung): 1,2 g / kg KG / Tag
(Frauen jeweils 0,2 g / kg KG / Tag weniger)

Quelle: A.Schek: Protein in der Sportlerernährung, in: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 3/2004

Bei Zufuhr von mehr als 2 g Eiweiß je kg KG und Tag muss mit einer erhöhten Belastung der Nieren gerechnet werden. Unter physiologischen Bedingungen wird bei Mengen über 1,7 g Eiweiß / kg KG kein zusätzlicher Effekt mehr auf das Muskelgewebe ausgeübt.


Eiweiß nach dem Sport

Entscheidend ist aber nicht nur die Menge sondern auch der Zeitpunkt, wann die eiweißhaltigen Lebensmittel gegessen werden.
Günstig ist es, wenn innerhalb von zwei Stunden nach intensivem Training oder Wettkampf Eiweiße in Verbindung mit Kohlenhydraten aufgenommen werden. Die Glykogenspeicher des Körpers können schnell wieder aufgefüllt und notwendige Reparaturprozesse verletzter Muskelfasern rasch eingeleitet werden. Die Kombination von Kohlenhydraten mit Eiweißen ist auch deshalb günstig, weil Kohlenhydrate die Ausschüttung des Hormons Insulin ankurbeln, das u.a. die Neubildung von Muskeleiweißen begünstigt.
Dies gelingt in der Praxis einfach, wenn nach dem Sport ein kleiner Imbiss gegessen oder getrunken wird, beispielsweise:
  • Jogurt mit Banane
  • Quark mit Apfelstückchen
  • Milchshake mit frischen Früchten
  • Molke
  • Brot mit Schinken (oder fettarmem Käse, Hüttenkäse ...) belegt
  • Getreideflocken mit Obst und Jogurt.


Ergänzungswirkungen nutzen

Sehr gute Eiweißquellen sind Lebensmittel tierischer Herkunft wie Fleisch, Fisch, Ei, Milch, Milchprodukte und Käse. Sportler sollten jedoch jeweils die fettarmen Varianten bevorzugen, weil sonst sehr leicht zu viele Fette aufgenommen werden. Auch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft wie Brot und Getreideprodukte, Kartoffeln sowie Hülsenfrüchte, dazu zählen z.B. Bohnen, Erbsen, Linsen, Soja, sind gute Eiweißlieferanten.
Die tierischen Nahrungseiweiße besitzen überwiegend eine höhere so genannte biologische Wertigkeit als die pflanzlichen Eiweiße. Wenn jedoch pflanzliches und tierisches Eiweiß gemeinsam verzehrt werden, ergänzen sie sich gegenseitig und ihr Nutzen für den menschlichen Körper steigt. Diesen Effekt, den man auch als Ergänzungswirkung bezeichnet, machen wir uns bei den üblichen Mahlzeiten jeden Tag zu Nutze:

Beispiele:
  • Getreide + Milch
Müsli aus Haferflocken und Joghurt
Vollkornbrot mit einem Glas Milch
Nudelauflauf mit Käse überbacken
  • Getreide + Ei
Vollkornbrot mit Ei
Pfannkuchen
  • Getreide + Fleisch / Fisch
Nudeln mit Gulasch
Reis mit Hähnchenbrust
  • Kartoffeln + Ei
Salzkartoffeln mit Rührei
Kartoffelgratin
  • Kartoffeln + Milch
Pellkartoffeln oder Ofenkartoffeln mit Kräuterquark
  • Kartoffeln + Fleisch / Fisch
Salzkartoffeln mit Schweinebraten oder mit Seelachsfilet
  • Hülsenfrüchte + Ei / Fleisch / Fisch
Erbsensuppe mit Würstchen
Bohnengemüse mit Kabeljaufilet
  • Hülsenfrüchte + Getreide
Bohneneintopf mit Vollkornbrötchen
Nudeln mit Linsengemüse

Fazit:
Sportler brauchen keine Eiweißergänzungen, wenn sie abwechslungsreich und vollwertig essen, das gilt sowohl für Breitensportler als auch für Leistungs- und Hochleistungssportler.


Weitere Informationen zum Thema finden Sie beispielsweise hier:


irmgard.luetticken@dlr.rlp.de     www.Ernaehrungsberatung.rlp.de