Vom Schadstoff zum Nährstoff? Abgeleitet: vom Saulus zum Paulus?

Bis Ende der 70er Jahre war Schwefel hauptsächlich als Schadstoff in Verbindung mit saurem Regen ein Thema in der öffentlichen Diskussion.
Zerstörerisch wirkten die verschiedenen Schwefelverbindungen auf Gemäuer – insbesondere problematisch für alte Mauern und Bauten wie z.B. den Kölner Dom. Aber auch saure Sickerwässer und saures Grundwasser für die Trinkwassergewinnung machten Schlagzeilen. Die chemische Zersetzung von Ton führte zur
Freisetzung von giftigem Aluminium.

Auch bei den Bauern war die Boden versauernde Wirkung viel weiter verbreitet als die Tatsache, dass Schwefel ein unentbehrliches – also lebensnotwendiges Nährelement in der Pflanzenernähung ist. Es zählt zu den Hauptnährelementen wie auch beispielsweise Stickstoff, Phosphor und Kalium zu den Hauptnährelementen zählen. Das bedeutet, dass den Pflanzen stets größere Schwefelmengen zum Wachstum zur Verfügung stehen müssen.

Es waren die Schwefelsäure haltigen sauren Niederschläge, die eine zusätzliche Düngung der Kulturpflanzen mit Schwefel nicht erforderlich machten.

Die sehr erfolgreichen Maßnahmen der Rauchgasentschwefelung führte bereits Anfang der 80er Jahre bei schwefelbedürftigen Arten wie dem Körnerraps zu Mangelerscheinungen. Während beim Raps die Mangelsymptome noch relativ einfach und sicher zu erkennen sind – die jüngsten Blätter sind hellgrün, später können violette Blattverfärbungen vom Rand her auftreten, sind Mangelerscheinungen an anderen Kulturarten oder auch im Dauergrünland häufig nicht so einfach nachzuweisen. Es gibt sehr unterschiedliche Reaktionen der Pflanzen auf Schwefelmangel, da der Schwefel in die Lebensfunktionen der Pflanzen eingreift.
In Getreide, Mais und Gräsern sind die jüngsten Blätter ebenfalls aufgehellt und werden evtl. später auch violett. In Mais führt Schwefelmangel zu einem erheblich geringeren Kornansatz und zu fahlgelben Körnern.
Die Blüten des Körnerrapses sind zitronengelb, der Kornansatz meist katastrophal gering.
In Sommergersten werden teilweise sehr geringe Bestockungsraten mit häufig verkümmerten Bestockungstrieben festgestellt. Eine ähnliche Reaktion kann auch im Dauergrünland festgestellt werden.
Im Übrigen bleibt anzumerken, dass die Qualität der Ernteprodukte durch Schwefelmangel schon beeinträchtigt wird, ehe Mangelsymptome sichtbar sind.
Und schließlich soll noch darauf hingewiesen werden, dass durch Schwefelmangel geschwächte Pflanzen anfälliger für Pilzkrankheiten werden, weil der natürliche Abwehrmechanismus nicht mehr richtig funktioniert.

Welche Funktionen hat der Schwefel in der Pflanze?
Schwefel ist am Aufbau von zwei lebensnotwendigen, also essentiellen Aminosäuren, - Cystein und Methionin – und damit am Eiweiß beteiligt. Auch an speziellen Eiweißen wie Enzymen. Außerdem können Schwefelverbindungen Enzyme aktivieren. Verschiedene Enzyme sind für die Zellatmung oder für Aufbauprozesse in der Pflanze verantwortlich.

Auch die beiden Vitamine B1 und H (= Biotin) sind schwefelhaltige Verbindungen. Weitere wichtige schwefelhaltige sogenannte sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe sind z.B. Senfölglycoside = Glucosinolate und Lauchöle (vor allem bekannt von Knoblauch und Zwiebeln), ihnen sagt man nach, dass sie das Krebsrisiko – insbesondere Lungen- und Darmkrebs – reduzieren.
Auch die Teigeigenschaften sollen durch höhere Schwefelgehalte im Mehl verbessert werden.

Der von den Pflanzen aufgenommene Schwefel – vor allem als Sulfatschwefel – wird in der Pflanze rasch reduziert und in organische Verbindungen eingebaut. Steht der Pflanze zu wenig Schwefel zur Verfügung, wird auch zu wenig Stickstoff verwertet: es wird zu wenig Chlorophyll (= Blattgrün) gebildet (daher die hellere Farbe der jüngeren Blätter) und daraus folgt dann das veränderte Wuchsverhalten. Schlechtere Stickstoffverwertung bedeutet, dass vermehrt Nitrat und schwefelfreie Aminosäuren in den Pflanzen zu finden sind. Diese Aminosäuren können nicht zu Eiweiß aufgebaut werden, weil die schwefelhaltigen Aminosäuren für die Eiweißkettenbildungen fehlen.
Durch eine Blattdüngung mit Schwefeldüngern (= Bittersalz) kann diese physiologische Störung zwar rasch beseitigt werden, es können aber nicht mehr die bis dahin aufgetretenen Wachstumsschäden behoben werden: eingetretene Schäden durch Schwefelmangel sind für Ertrag (und meistens auch für die Qualität) endgültig.

Die Bedeutung der Schwefelverbindungen für den Menschen

Bei Mensch und Tier ist Schwefel vor allem in den Eiweißverbindungen von Haut, Haaren, Horn und Federn sowie im Kollagen der Knochen und Sehnen zu finden.
Die typische Geschmacksschärfe von Zwiebeln, Knoblauch, Radieschen, Senf und Schnittlauch ist auf Schwefelverbindungen in diesen Pflanzenarten zurückzuführen. Gleiches gilt auch für den jeweils typischen Geschmack und Geruch der verschiedenen Kohlsorten und des Spargels.
Den Glucosinolaten in den verschiedensten Kohlsorten ist gemeinsam, dass sie alle eine Zuckereinheit und eine Sulfatgruppe besitzen. Bisher sind mehr als 130 verschiedene Glucosinolat-Einzelverbindungen bekannt. Glucosinolate können insbesondere das Lungen- und Darmkrebsrisiko verringern, wie medizinische Studien belegen. Das ist einer der Gründe, weshalb der Verzehr von Kohlgemüse besonders empfohlen wird.
Leider werden die Glucosinolate beim Zerkleinern der Pflanzen teilweise rasch durch Enzyme abgebaut, da an diesen Schnittflächen (= Wunden) das abbauende Enzym direkt mit dem dann leicht abbaubaren Glucosinolat in Verbindung kommt (in der unverletzten Pflanze sind beide unerreichbar voneinander getrennt). Dieser rasche Abbau führt dann zum charakteristichen Geruch. Gleiches passiert auch bei der Ernte von grünem Futterraps.


Ein höherer Gehalt an Glucosinolaten und auch von schwefelhaltigen Aminosäuren bei Grünkohl ist durch die Düngung mit schwefelhaltigen Düngern zu erreichen. Diese Düngung steigert den Gehalt an wertvollen schwefelhaltigen Inhaltstoffen: die Schwefeldüngung erhöht also den gesundheitlichen Wert.

Auch die Zwiebelgewächse gelten als sehr gesund: ähnlich wie die Glucosinolate in Kohlgewächsen sind es in den Zwiebelgewächsen wie Küchenzwiebel und Knoblauch schwefelhaltige Inhaltsstoffe, die positive Effekte ausüben auf Blutdruck, Gefäßerkrankungen, Thrombosen, Arteriosklerose oder auch rheumatische Arthritis. Sie wirken verdauungsunterstützend. Dazu sind jedoch hohe Dosierungen erforderlich. Weil der Schwefelgehalt in den Pflanzen niedrig ist, werden oft alkoholische Extrakte mit höherer Wirkstoffkonzentration hergestellt.
Ähnlich wie bei den Glucosinolaten wird auch hier versucht über die Züchtung und über die Schwefeldüngung die Wirkstoffkonzentration zu erhöhen.

Das aus den drei Aminosäuren Glycin, Glutamat und Cystein bestehende Glutathion spielt im Körper eine wichtige Rolle in der Entgiftung von Schwermetallen und beim Abbau verschiedener Krebs erregender Substanzen: es bringt die Vitamine “C” und “E” in die aktive Form und bewahrt so die Zelle vor schädlichen freien Radikalen. Spargel, Wassermelonen und Avocados enthalten nach Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) besonders hohe Glutathiongehalte.

Sehr früh für Heilzwecke entdeckte Pflanzen erstehen also durch wissenschaftliche Untersuchungen in neuem Glanz.

Wie verhält sich Schwefel im Boden?
Die in den Gesteinen enthaltenen Schwefelverbindungen werden bei der Gesteinsverwitterung freigesetzt, in die sulfatische Form oxidiert und stehen dann den Pflanzen als Nährstoff zur Verfügung. Vor allem in Kalkböden sind höhere Schwefelmengen in Form von Gips rasch pflanzenverfügbar, da Gips sulfatisches Kalzium ist und Pflanzen das Sulfat leicht aus dieser chemischen Verbindung herauslösen können.
Der weitaus überwiegende Teil des gesamten Schwefels im Boden ist allerdings organisch gebunden in Form von schwefelhaltigen Aminosäuren oder organischen Sulfatkomplexen, in Humus, Bakterien und Bodenpilzen. Diese organischen Stoffe werden im Laufe der Zeit abgebaut (= mineralisiert) bis zum Sulfat. Sulfat selbst ist im Boden leicht beweglich und wird auch aus dem Boden ausgewaschen, sofern es nicht durch Pflanzenwurzeln aufgenommen wird. Im sauren Bereich kann Sulfat aber auch an Eisen und Aluminium gebunden, also in begrenzten Mengen vor Auswaschung geschützt werden.

In flachgründigen Böden und in leichten Sandböden ist die Auswaschungsgefahr am größten.
In sehr schweren Böden (Bodenarten: Lehmiger Ton und Ton) und staunasse Böden (Bodentyp: Pseudogley) ist bekannt, dass sie Nitratstickstoff im Boden reduzieren bis zum Luftstickstoff – den Stickstoff als Nährstoff vernichten -. Wir sprechen hier von Denitrifikation.

Schwefel hat in mancher Beziehung Ähnlichkeit mit dem Stickstoff: als Sulfat ist er ähnlich auswaschungsgefährdet wie Nitrat, eine (logische) Konsequenz daraus ist, dass er auch zeitlich so gedüngt werden muss wie der Stickstoff.
Vergleichbar mit der Denitrifikation des Nitrat-Stickstoffs gibt es auch eine Reduktion des Sulfatschwefels: bei Sauerstoffmangel im Boden (nasse Verhältnisse in sehr schweren Böden und im Pseudogley) kann das Sulfat desulfuriert werden. Dabei kann sowohl giftiges Faulgas (H2S) entstehen, dann geht der Schwefel als Gas in die Atmosphäre verloren und/oder das Sulfat wird in elementaren Schwefel (S) umgewandelt. Elementarer Schwefel wird bei günstigeren bodenklimatischen Bedingungen wieder langsam zum Sulfat oxidiert und dann wieder für die Pflanzen verfügbar – vielleicht aber auch erst so spät, dass die Pflanzen bereits die Nährstoffaufnahme eingeschränkt oder eingestellt haben.

Gelangt Sulfatschwefel in der Form von Kalziumsulfat (=Gips) über das Grundwasser in das Trinkwasser führt dies zur sogenannten Permanenthärte: im Gegensatz zum normalen Kesselstein, der sich vergleichsweise leicht wieder durch Säureeinwirkung entfernen lässt, bedeutet Permanenthärte, dass dieses Material nicht mehr entfernt werden kann, der Stein ist unlöslich in Säuren, verbleibt also auf Dauer (= permanent) in den Heißwassergeräten.

Schwefeldüngung gezielt und richtig bemessen: wie geht das?
Je nach Kulturart und Düngungsintensität werden mit dem Erntegut 15 bis 40 kg S/ha abgefahren. Die von den Pflanzen aufgenommene Schwefelmenge liegt jedoch höher, da nicht abgefahrene Pflanzenreste wie Blattabfall, Stängel- und Stoppelreste sowie die Wurzeln ebenfalls Schwefel enthalten.

Für Raps werden 30-40 kg S/ha empfohlen, bei stärkerer Düngung mit organischen Düngern reichen auch 20 kg S/ha aus. 10-20 kg S/ha reichen für Getreide allgemein aus.
Bei Grünland und Feldfutterbau hat sich eine Schwefeldüngung von ca. 20 kg S/ha ebenfalls in sehr vielen Fällen bewährt, hier gibt es aber keine klare Richtung, da regional unterschiedliche Verhältnisse vorliegen.

Eines aber gilt immer: Schwefel kann und darf als Mineraldünger nicht im Herbst auf Vorrat gedüngt werden wegen der Auswaschungs- und Desulfurikationsgefahr. Schwefel ist zeitlich genau dann zu düngen, wenn im Frühjahr auch der Stickstoff gedüngt wird. Stickstoff und Schwefel gehören der Pflanze “ins Maul” gedüngt, damit die angestrebte Wirkung auch voll zur Geltung kommen kann.
Kainit zum ersten Futteraufwuchs brächte insbesondere über die Weidelgräser nicht nur Natrium in die Pflanzen sondern auch Schwefel.
Über die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern im Herbst ist die Schwefelversorgung der Grünlandpflanzen zum ersten Aufwuchs des folgenden Jahres offensichtlich nicht immer ausreichend gesichert, dieses gilt für leichte und/oder flachgründige Böden ebenso wie für schwere Tonböden und Pseudogley. Das liegt sicherlich einerseits an Auswaschungsverlusten (leichte, flachgründige) oder Desulfurikationsverlusten (Tonböden, Pseudogley) und andererseits an der nur zögerlichen Mineralisierung der Wirtschaftsdünger und der übrigen organischen Masse im Boden und damit auch nur zögerlichen Schwefelfreisetzung aus den organischen Stoffen.
Folglich ist eine gewisse “Schwefelstartdüngung” im Frühjahr mit z.B. schwefelhaltigen Stickstoffdüngern angezeigt.

Durch die Schwefeldüngung kann der Rohproteingehalt im Futter leicht angehoben werden, das Gegenteil kann aber auch eintreten: niedrigere Rohproteingehalte sind vor allem dann zu erwarten, wenn mit Hilfe der Schwefeldüngung ein relativ starker Mangel beseitigt wird. In diesem Fall steigen zunächst einmal die Erträge beträchtlich an, so dass es in der größeren Pflanzenmasse zu deutlichen Verdünnungseffekten kommt.

Schwefelmangel in Futterpflanzen tritt vor allem im Schnittgrünland und im mehrjährigen Feldfutterbau auf, kaum bei Weidewirtschaft. In Mähweiden tritt der Mangel eher verdeckt oder schwach auf, so dass er nicht gut zu erkennen ist. Wird ein schwefelhaltiger Stickstoffdünger neben einem schwefelfreien Stickstoffdünger gestreut, kann jeder Landwirt in seinen eigenen Grünland- oder Futterbauschlägen erkennen ob Schwefelmangel vorliegt oder nicht: Wenn bei gleicher Stickstoffmenge eine dunklere Grünfärbung in der Variante “mit Schwefel” zu erkennen ist, dann liegt eine deutliche Schwefelwirkung vor. Die N-Startdüngung im nächsten Jahr sollte dann “mit Schwefel” erfolgen.
Nebeneffekt der Schwefeldüngung bei stärkerem Mangel: die Bestände bestocken deutlich stärker, die Narben werden dichter ...

Welche Schwefeldünger einsetzen?
Dazu gibt es allgemein keine gültige Aussage, da die Verhältnisse in den Betrieben viel zu vielfältig sind.

Eine Bittersalzspritzung bei akutem Mangel mit z. B. 20 kg Bittersalz in 400 l Wasser gelöst ist unstrittig als “Feuerwehrmaßnahme” wirksam, doch wird der akute Mangel nur geringfügig gelindert.

Fast alle sogenannten Volldünger (NPK) enthalten gewisse Mengen Schwefel: unter Umständen genug wenn regelmäßig wirtschaftseigene Dünger eingesetzt werden.
Es gibt einige Stickstoff-Schwefel-Dünger mit unterschiedlichen Schwefelgehalten wie beispielsweise Kalkammonsalpeter mit Schwefel, Ammonsulfatsalpeter, Schwefelsaures Ammoniak, Harnstoff mit Schwefel oder auch Ammonnitrat-Harnstoff-Lösung (AHL) mit Schwefel. So kann gleich mit dem Stickstoff eine weitgehend bedarfsgerechte Schwefelzufuhr gewährleistet werden. Vor allem auch deshalb, weil so (zwangsläufig) Stickstoff und Schwefel entsprechend des Pflanzenbedarfes zur richtigen Zeit zur Aufnahme bereit stehen.

Da in den Düngemitteln der Schwefel meist als Sulfat vorliegt und somit rasch Pflanzen verfügbar ist sollte er dann verabreicht werden wenn Mangel vermieden werden soll.

Eine gewisse Menge an S-haltigen P-, K- oder Mg-Düngern kann also ggfls. bereits im Herbst zu Pflanzenarten mit höherem S-Bedarf vor allem in S-Mangelstandorten (z. B. keine Wirtschaftsdünger) sinnvoll sein.
Kornkali mit 4 % S, 6 % MgO, 40 % K20 und gewissen Mengen an Na im Frühjahr zu Raps kann ebenso sinnvoll sein wie zum Dauergrünland oder Feldfutter. Das gilt für Mg-Mangelstandorte genauso wie für die S-Versorgung oder auch die Geschmacksverbesserung durch Natrium im Futter.

Erhebliche Mengen an Schwefel (12 %) enthält auch das Superphosphat.

Entscheidend, welcher S-haltige Dünger eingesetzt werden soll ist nicht nur der Preis des Schwefels, sondern es müssen auch die begleitenden oder die durch S verdrängten Nährstoffe oder auch der pH-Wert des Bodens sowie die pH-Wert beeinflussende Wirkung berücksichtigt werden. Auf die stark versauernde Wirkung des Schwelsauren Ammoniaks sei hingewiesen, diese Versauerung muss in Form von zusätzlicher Kalkung ausgeglichen werden, sofern der Boden nicht von Natur aus als kalkreich einzustufen ist.


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