Einkorn und Emmer - Getreide mit Vergangenheit

In manchen Bio-Bäckereien und Naturkostläden kann man Brot, Gebäck oder Nudeln mit Emmer entdecken. Immer mehr Verbraucher interessieren sich für Urgetreide. Wer seinen Speiseplan mit alten Getreidearten wie Einkorn und Emmer erweitert, bringt nicht nur eine der ältesten Kulturpflanzen, sondern auch neue Geschmacksvarianten auf den Tisch.


Ötzi aß Einkorn

In früher Zeit haben Emmer und Einkorn als Getreide in Europa eine sehr große Rolle gespielt. Archäologen haben bei Ausgrabungen Körner im Boden gefunden, die aus der Zeit der Bandkeramik stammen. "Bandkeramiker" nennt man die Menschen, die vor etwa 6000 Jahren Krüge und Geschirr getöpfert und dieses mit einem bestimmten Muster verziert haben. In der Kulturgeschichte Mitteleuropas gilt diese Zeit als eine Epoche, in der sich sesshafte Lebensformen der Menschen durchsetzten. Im Gegensatz zu vorhergehenden Jäger -und Sammlerkulturen wird nun erstmals systematische Landnutzung durch Ackerbau und Viehzucht betrieben. Dabei bildeten die beiden Getreidearten Einkorn und Emmer die wichtigsten Mehlgetreidearten für die menschliche Ernährung. In der Agrar-Kulturgeschichte markieren Einkorn und Emmer den Übergang vom "wilden" Sammeln zum "kultivierten" Ackerbau. Insbesondere Emmer wurde in dieser Zeit für die Herstellung von Brot und Brei verwendet. Und "Ötzi" hat sich nachweislich von Einkorn ernährt.

Der Emmer war auch in der Küche der Römer eine der wichtigsten Getreidesorten. Wir dürfen nicht aus den Augen lassen, dass die Römer ursprünglich kein Brot kannten, und starke Breiesser waren. Das Getreide wurde geschrotet und gemahlen, zu einem dicken Brei gekocht, der entweder pur oder gewürzt, deftig oder süß gegessen wurde. Dieser Breikult lebt unter anderem in der heutigen Polenta der Italiener fort (von Puls, lat. "Brei"), die heute meist aus Maisgrieß besteht, der damals freilich unbekannt war. Erst durch den Einfluss Griechenlands kam die Mode des Brotbackens zu den Römern, welche von den Griechen einst abfällig als "Breiesser" bezeichnet wurden.

Der Rückgang des Anbaus der Urgetreidearten setzte während der Bronzezeit (um 1000 v. Chr.) ein. Die ertragreicheren Getreide Gerste und Dinkel, später der Weizen setzten sich durch. Bereits im beginnenden Mittelalter war der Anbau von Emmer und Einkorn bis auf wenige Grenzertragsstandorte reduziert. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft ab dem 18. Jahrhundert und die sich ändernden Ernährungsgewohnheiten der Menschen - von Brei und Fladenbrot zu hellerem Brot und Feingebäck - wurden Einkorn und Emmer zunehmend vom Weizen verdrängt.

Der Anbau alter Getreidearten ist in Deutschland schließlich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts erloschen. Durch die Arbeit in Botanischen Gärten und in Museumsdörfern wurde das Wissen erhalten. Die Arten von Einkorn oder Emmer, die aktuell in Deutschland angebaut werden, stammen größtenteils aus Genbanken und wurden auf praxisrelevante Mengen vermehrt.
Seit einigen Jahren wird in verschiedenen Anbauprojekten, insbesondere in Süddeutschland und der Schweiz, die Wiedereinführung des Emmeranbaues gefördert. Emmer ist eine robuste Getreideart, die keine hohen Ansprüche an den Boden und das Klima stellt. Bio-Landwirte wissen diese Vorzüge besonders zu schätzen.


Einkorn - Zweikorn

Einkorn (Triticum monococcum) ist eine der ältesten domestizierten Getreidearten. Der Name rührt von dem einzelnen Korn auf der Ährenspindel. Einkorn stammt vom wilden Weizen ab. Besonders charakteristisch ist der gelbliche Mehlkörper. Emmer (Triticum dicoccon) wird auch Zweikorn genannt. Er hat lang begrannte, meist zweiblütigen Ährchen.
Einkorn und Emmer sind ebenso wie Dinkel ein Spelzgetreide: Die Körner bleiben nach dem Dreschen fest von den Spelzen umhüllt und müssen in einem weiteren Arbeitsgang entspelzt werden.
Die alten Getreidearten weisen äußerst geringe Hektarerträge auf. Der Bauer füllt nach der Ernte deutlich weniger Zentner ab als bei einem Weizenfeld: Emmer 15-18 dt/ha, Weizen 70 dt). Die geringe Erntemenge und der hohe Aufwand erfordern den höheren Preis für die Rohware.


Gesundheit und Genuss

Für den Menschen sind Einkorn und Emmer wertvoll und gut bekömmlich.
Beide Getreidearten zeichnen sich durch ihren hohen Eiweißgehalt aus. Auch fällt der hohe Magnesium- und Zinkgehalt von Emmer sowie der Gehalt an Carotinoiden beim Einkorn auf.

Mit Einkorn oder Emmer zu kochen oder zu backen ist spannend. Aus dem zarten kleinen Einkorn wird ein gelbliches Mehl gewonnen. Es enthält reichlich Kleber. Der Kleber ist ausschlaggebend für die Backfähigkeit des Getreides. Er bestimmt, wieviel Wasser der Teig binden kann und wie elastisch er wird. Davon ist auch die Volumenzunahme und Standfestigkeit des Teiges abhängig. Offensichtlich variieren beim Einkorn die Kleberqualitäten sehr stark. Es wird einerseits von sehr erfolgreichen Backversuchen berichtet, und andererseits wird darauf hingewiesen, dass das Problem extrem weicher und wenig elastischer Kleber besteht. Sicher ist es so, dass sowohl die vorhandenen Sorten als auch die Qualität der Erntegüter enormen Schwankungen im Hinblick auf backtechnische Eignungen unterliegen. Jedem Bäcker ist daher geraten, sich langsam an das Backen mit Einkorn heran zu tasten. Mit seinem milden Aroma eignet sich Einkorn jedoch gut für Pfannkuchen und Waffeln. Auch leckere Kuchen aus Rührteig und Biskuitteig sowie Mürbegebäck gelingen gut.

Emmer besitzt ein sehr hartes Korn. Gemahlen ergibt er ein eher grießiges Mehl. Auch hier gilt: eher mäßige Kleberqualität. Mürbeteig wird locker, süßes Hefegebäck, Kuchen oder Klöße bekommen eine fast kristalline Struktur. Besonders lecker sind frisch gebackene Emmer-Waffeln. Backwaren aus Emmer schmecken kräftig würzig. Das Getreide eignet sich deshalb hervorragend für herzhafte Brötchen und Pizza oder für Dampfnudeln und Knödel. Emmer wird gerne zur Herstellung von Teigwaren verwendet. Die leicht dunkle Farbe der Nudeln verbunden mit dem herzhaften Geschmack eignet sich sehr gut für Nudelgerichte aller Art. Ebenso wird der Emmer für die Bierherstellung eingesetzt (dunkel, meist trüb, sehr würzig).


Minestra di farro

Einfacher als beim Backen hat man es mit Eintöpfen, Aufläufen oder Risotto.
Lassen Sie sich begeistern von einer italienischen Spezialität: Minestra di farro, einer Zweikornsuppe. Dieser deftige Eintopf ist für die ländlichen Gebiete der Toskana typisch. Das klassische „Armeleutegericht“ ist nach heutiger Ansicht von Ernährungsexperten ein hervorragender Vertreter der mediterranen Küche und kann auch bei uns größtenteils mit heimischen Zutaten zubereitet werden.

Hier das Rezept:

Zutaten:
(4 - 6 Portionen)
  • 250 g getrocknete weiße Bohnen
  • 250 g Emmer
  • 2 Knoblauchzehen
  • einige Salbeiblätter
  • 1 Zwiebel
  • 1 Möhre
  • 1/2 Stange Staudensellerie
  • 1 Stange Lauch
  • 3 EL Rapsöl
  • 400 g Tomaten
  • Salz, Pfeffer
  • Rosmarin
  • geriebener Pecorino
Minestra di farro
© DLR RLP


Zubereitung:
  • Die Bohnen und den Emmer getrennt über Nacht in jeweils etwa 750 ml Wasser einweichen.
  • Die Bohnen ohne weitere Wasserzugabe mit den Knoblauchzehen und Salbeiblättern ca. 1 Stunde garen.
  • In der Zwischenzeit Zwiebel, Möhre, Lauch und Sellerie putzen. Alle Gemüse waschen, fein schneiden und in Öl andünsten.
  • Den eingeweichten Emmer hinzugeben, gut durchrühren und aufkochen.
  • Die Bohnen zufügen, eventuell mit Wasser bis zur gewünschten Sämigkeit auffüllen, dann auf kleinster Flamme ca. 40 Minuten köcheln lassen.
  • Zum Schluss Salz, frisch geriebenen Pfeffer und einige Rosmarinnadeln dazugeben,mit Pecorino bestreut servieren.

Tipp:
Wer die Bohnen schlecht verträgt, kann das Einweichwasser weggießen. Dadurch verbessert man die Bekömmlichkeit.


Quelle und weitere Information:
  • Getreidezüchtungsforschung Darzau (Hrsg.): Einkorn - ein Korn vom Feinsten, im Internet unter darzau.de (Zugriff 10/2008, Link veraltet)
  • Geschäftsstelle Bundesprogramm Ökologischer Landbau in der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirschaft (BLE) (Hrsg.): Emmer, im Internet unter oekolandbau.de (Zugriff 10/2008, aktualisiert 20.11.023)
  • NABU Landesverband Baden-Württemberg (Hrsg.): Projekt: Alte Getreidesorten, im Internet unter nabu.waichlingen.de (Zugriff 10/2008, aktualisiert 20.11.2023)


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